Die große Frage nach der Europawahl ist: Warum haben so viele junge Menschen ihre Stimme der AfD gegeben? Die einfachste Antwort, die man immer wieder hört, lautet: Naja, die AfD ist eben auf Tiktok sehr aktiv und stark vertreten. Klar – die Jugend hängt einfach zu viel auf Tiktok ab und hat keine anderen Interessen, easy, wir haben den Sündenbock gefunden!
Die Antwort scheint mir zu kurz zu greifen. Viel diskutiert wird über die Frage, ob man mit 16 schon „reif“ genug ist zu wählen. Der Deutsche Lehrerverband ist „hin- und hergerissen“ und schreibt: Wählen ab 16, das sieht er kritisch. Die Kinder seien ja noch viel zu jung und „(…) ein großer Teil interessiert sich eben auch nicht die Bohne für Politik als Ganzes mit ihren vielen Facetten (…)“.16-Jährigen mangle es auch an Lebenserfahrung und Reife: „16-Jährige erinnern sich nicht, was vor 10 Jahren war und wie Politik die Vergangenheit beeinflusst hat. 40-Jährige schon. (…) Nicht umsonst ist die Volljährigkeit erst mit 18 Jahren erreicht“.
Aber unterschätzen diese Argumente nicht die jungen Menschen?
Ich wundere mich etwas über die Argumentation: Man bekommt doch zum 18 Geburtstag nicht automatisch ein Upgrade mit Lebenserfahrung und Reife. Wird so nicht jungen Menschen die Fähigkeit abgesprochen, Interessen, Sorgen und Vorstellungen bezüglich ihrer Zukunft zu haben?
Gleichzeitig wissen wir, dass Bildung stark von sozialer Herkunft beeinflusst ist, und natürlich können wir nicht einfach den Kelch an Lehrer_innen zurückreichen und sie damit alleine lassen. Die Koalition hat deshalb ihr Versprechen eingelöst und ab Herbst unterstützen wir mit dem Startchancenprogramm bundesweit gezielt die Schulen, die Unterstützung auch wirklich notwendig haben. Insgesamt profitieren etwa als 4.000 Schulen davon.
Aber was sagt eigentlich „die Jugend“ selbst zu den Wahlergebnissen?
Louisa Basner, Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, nennt Social Media, das Elternhaus und fehlende Informationen als Gründe für den Wahlerfolg der AfD unter Jugendlichen. Medienkompetenz ist nach wie vor ein großes Thema. Wir wissen, dass Künstliche Intelligenz bereits in diesem Super-Wahljahr eine große Rolle gespielt hat und noch spielen wird.
Außerdem widerspricht Louisa Basner grundsätzlich den Aussagen des Lehrerverbands, junge Menschen haben nämlich eben doch große Sorgen darüber, was ihre Zukunft betrifft, und können Zusammenhänge sicher begreifen. Die AfD setzt – unterstützt von starker Medienpräsenz – auf diese Sorgen und liefert kurze Antworten. Also: viel zu kurz gegriffene Antworten, die oft auch verfassungsfeindlich, menschenverachtend, rechtsextrem oder absolut unrealistisch sind.
…und noch eine extrem kurze Antwort auf die andere Frage, die jetzt überall aufploppte, nämlich die Frage, ob unser Kanzler noch Kanzler sein dürfte nach dieser Wahl: Ja. Die Wahlperiode endet nicht bei einer Europawahl.