Die NATO feiert dieses Jahr ihren 75 Geburtstag. Die Gründungsstaaten schlossen sich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges zusammen, also um der Sowjetunion im Falle eines Krieges die Stirn bieten zu können. 1991 dann das große Aufatmen – der Kalte Krieg war beendet. Der Hauptgrund für die Existenz der NATO hatte sich erledigt, nachdem der Warschauer Pakt sich aufgelöst hatte (und viele Mitgliedsstaaten des ehemaligen östlichen Bündnisses unbedingt in das westliche Bündnis wollten). Wer hätte gedacht, dass 30 Jahre später Putin neue imperiale Träume verwirklichen will? Die osteuropäischen Staaten waren dann heilfroh, Mitglieder der Nordatlantik-Allianz geworden zu sein. Aber in Westeuropa (zum Teil auch in den USA) war es einige Zeit lang um Ruf und Bedeutung des Bündnisses nicht gut bestellt. Beim Jubiläumsgipfel 2019 freute man sich darüber, dass es überhaupt gelang, eine Abschlusserklärung zu erreichen. Präsident Macron sprach vom „Hirntod“
der NATO, die Türkei hatte sich mit russischen Waffen eingedeckt, der Schlingerkurs eines Donald Trump verunsicherte viele Bündnispartner. In Deutschland blickten viele auf die Allianz, als wäre diese irgendwie ein Relikt aus alter Zeit. Oder wie eine alte Versicherungspolice. So eine, die früher mal wichtig war abzuschließen, jetzt aber irgendwie obsolet geworden ist, aber man doch froh ist, sie zu haben. Ich gebe zu: Auch ich fand vor 10 Jahren die NATO völlig ok, aber von zentraler außen- und
sicherheitspolitischer Bedeutung war sie für mich nicht. Jedenfalls hätte ich es für undenkbar gehalten, dass ich mal so froh über die NATO-Mitgliedschaft Deutschlands sein werde, wie ich es heute bin. Aber warum genau ist es eigentlich so wichtig, Mitglied der
NATO zu sein?In erster Linie stellt die NATO natürlich ein Militärbündnis dar. Sie setzt auf Abschreckung, und im Bündnisfall – also wenn einer der Mitgliedstaaten angegriffen wird – kann sich dieser Staat dann darauf verlassen, dass alle bei der Verteidigung helfen. Die NATO ist aber auch ein Wertebündnis: Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind die Grundpfeiler, auf denen die Allianz aufgebaut ist. Und wir setzen auch auf Diplomatie und Dialog für die friedliche Beilegung von Konflikten.Bei all der Bedrohung, die uns heute so umgibt, finden viele Staaten die Idee der NATO plötzlich viel besser als noch vor ein paar Jahren. Ehemals neutrale Länder schließen sich ihr an: Der Beitritt Schwedens und Finnlands ist eine Konsequenz der Bedrohung Russlands und er zeigt, wie stark sich die Sicherheitslage verändert hat. Der russische Angriff hat die NATO nicht geschwächt oder gespalten, er hat sie größer und stärker gemacht. Die Sicherheit Deutschlands ist gut in der NATO aufgehoben, das Zusammenspiel von Abschreckung und Diplomatie halte ich für angemessen und zukunftsgewandt. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten arbeiten wir weiter daran, dass es nicht dazu kommt, dass ein Bündnisfall ausgerufen werden muss.