Wir sind im Wahlkampf angekommen. Plötzlich kreischen alle „Wahlkampf!“, wenn die Regierung ihre Arbeit macht. Was aber neu ist: Jetzt scheint es schon verpönt zu sein, im Wahlkampf überhaupt eine Position deutlich zu machen. Darf man im Wahlkampf heutzutage noch Wahlkampf machen?
Wahlkampf ist Teil unserer Demokratie. Es geht bei einer Bundestagswahl ja immerhin um eine Richtungsentscheidung für unser Land. Deswegen ist es gut, wenn alle Parteien deutlich machen, wofür sie stehen und was sie wollen. Wahlkampf ist die Zeit, wo Positionen gegenübergestellt werden. Was nicht in Ordnung ist: Jede Debatte wegdrücken wollen mit dem Argument „Das ist doch jetzt Wahlkampf!“.
Aktuelles Beispiel: Bundeskanzler Olaf Scholz tat Anfang Dezember, was Bundeskanzler eben so machen. Er reiste in die Ukraine, um dem überfallenen Land die Solidarität der Bundesregierung zu versichern. Und sofort ging es los: Die Opposition echauffierte sich, Olaf Scholz mache das nur aus wahlkampftaktischen Gründen, Olaf Scholz schüre bei den Wählerinnen und Wählern die Kriegsangst. Liebe CDU, liebe CSU, mal Hand aufs Herz: Soll die Bundesregierung jetzt nicht mehr mit der Ukraine sprechen? Und soll der Kanzler erzählen, mit Russland sei ja alles Paletti, um nur ja keine Sorgen aufkommen zu lassen? Dürfen wir überhaupt noch vor der Wahl über die Ukraine-Politik reden und unsere Unterschiede zu Friedrich Merz, der gerne Russland ein 24-Stunden-Ultimatum stellen will? Wenn nein, warum denn nicht?
Oder, anderes Beispiel, die Initiative, den Paragraphen 218 neu zu regeln: Es ist ein ganz normaler demokratischer Vorgang, wenn Abgeordnete sich zusammentun, um eine Reform voranzutreiben. In diesem Fall die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Friedrich Merz bewertet die Initiative, den § 218 neu zu regeln, empört als Spaltung. Sorry, aber ich bewerte eine Neuregelung als längst überfällig.
Und wo wir schon bei der Empörung des Friedrich Merz sind. Auch beim Bürgergeld und bei anderen Themen – immer schwappte eine Welle der Empörung bei Friedrich Merz hoch. Hat er sich das bei Donald Trump abgeschaut?
Anderswo in der Parteienlandschaft bauen sie Mist, und dann muss der vermeintliche Wahlkampf als Entschuldigung herhalten: Als das D-Day-Papier eher noch ein gut recherchiertes Gerücht war, aber langsam rauskam, dass die FDP den Bruch der Ampel taktisch geplant hat, meinte Christian Lindner: „Es ist Wahlkampf. Wo ist die Nachricht?“. Wenn die vielzitierte „Offene Feldschlacht“ den Ton des Wahlkampfs der FDP beschreibt, na dann gute Nacht.
Für mich ist übrigens Wahlkampf, wenn meine Genossinnen und Genossen und ich am Infostand stehen, von Tür zu Tür gehen und ich Wahlprüfsteine der Nürnbergerinnen und Nürnberger beantworte. Was mir alles übrigens sehr viel Spaß macht! Hier vielleicht noch ein kurzer Werbeblock: Ich freue mich, wenn mich noch jemand im Wahlkampf unterstützen möchte. Wer sich das vorstellen kann: Einfach Mail an gabriela.heinrich.mdb@bundestag.de schicken.