Die CDU/CSU-Fraktion hat kürzlich an die noch amtierende Bundesregierung eine Kleine Anfrage gestellt, die in der Zivilgesellschaft für Aufsehen sorgt. Inhaltlich geht es darum: Inwiefern dürfen sich gemeinnützige Organisationen, die staatliche Fördergelder erhalten, parteipolitisch betätigen, ohne dabei ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu verlieren? Im Fokus stehen dabei bekannte Organisationen wie „Omas gegen Rechts“, die Amadeu Antonio Stiftung, Peta Deutschland sowie das Bundesprogramm „Demokratie leben“.
Warum ist diese Anfrage problematisch?
Es ist völlig legitim, dass eine Oppositionsfraktion eine Anfrage an die Bundesregierung stellt – dies gehört zu den parlamentarischen Rechten. Die Kritik entzündet sich jedoch an zwei zentralen Punkten: Dem Zeitpunkt der Anfrage sowie ihrer Stoßrichtung.
Die Anfrage erfolgte unmittelbar nach den großen Demonstrationen gegen das Einreißen der sogenannten Brandmauer zwischen CDU/CSU und AfD. In zahlreichen Städten gingen hunderttausende Menschen auf die Straße, um sich gegen Rechtsextremismus und eine Zusammenarbeit mit der AfD zu positionieren. Viele der Organisationen, die in der Kleinen Anfrage genannt werden, waren maßgeblich an der Organisation dieser Proteste beteiligt. Daher wird die Anfrage als gezielte Reaktion auf diese Proteste gewertet – ein Einschüchterungsversuch gegenüber kritischen Stimmen aus der Zivilgesellschaft.
Besonders stößt die Formulierung einer angeblichen „Schattenstruktur“ auf. Das Narrativ, es gäbe einen sogenannten „Deep State“, eine im Verborgenen agierende, mächtige Gruppe, die tatsächlich die Fäden ziehen würde, kommt aus der verschwörungstheoretischen Ecke und ist in diesem Zusammenhang höchst problematisch.
Warum ist eine engagierte und auch kritische Zivilgesellschaft für die Demokratie so wichtig?
Eine lebendige Demokratie ist auf eine starke Zivilgesellschaft angewiesen. Unabhängige Organisationen, Vereine und Stiftungen spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, gesellschaftliche Missstände aufzudecken, Minderheiten zu schützen und den politischen Diskurs zu bereichern.
1.700 Wissenschaftler_innen, die einen offenen Brief gegen die Kleine Anfrage unterzeichnet haben, betonen, dass zivilgesellschaftliche Organisationen nicht parteiähnlich sein dürfen – aber auch nicht politisch neutral sein müssen. Gerade der Einsatz für Demokratie, Menschenrechte und Umwelt sei von zentraler Bedeutung für eine funktionierende Demokratie. Eine selektive Überprüfung von Organisationen, die sich gegen demokratiefeindliche Strömungen engagieren, gefährde dieses Engagement massiv.
Die Wissenschaftler_innen warnen davor, dass Versuche, NGOs mithilfe des Steuerrechts einzuschränken, ein typisches Muster illiberaler Demokratien seien. Beispiele dafür lassen sich in Ländern wie Russland, Ungarn oder Polen beobachten, wo Regierungen gezielt kritische Organisationen schwächen. Die Tatsache, dass in der Kleinen Anfrage auch die ausländische Finanzierung von NGOs thematisiert wird, weckt weitere Besorgnis. Genau dieses Narrativ wird in autoritären Staaten genutzt, um unabhängige Organisationen zu diskreditieren. Das geht soweit, dass Organisationen oder Stiftungen vorgeworfen wird, als ausländische Agenten zu arbeiten.
Viele der in der Anfrage genannten Organisationen haben bereits mitgeteilt, dass sie überhaupt keine staatliche Finanzierung erhalten. Manche erhalten Förderung – allerdings für konkrete Projekte. Solche zur Verfügung gestellten Gelder dienen der Finanzierung vorher festgelegter Zwecke im Interesse der Allgemeinheit. Ihre tatsächliche Verwendung wird im Einzelnen überprüft. Gemeinnützigen Organisationen stehen somit keine staatlichen Gelder zur Finanzierung politischer oder gar parteipolitischer Kampagnen zur Verfügung.
Warum sind das Demokratiefördergesetz und das Programm „Demokratie leben!“ so wichtig?
Ein wichtiger Baustein zur Unterstützung der Zivilgesellschaft ist das Demokratiefördergesetz, das derzeit in der politischen Debatte steht. Es soll die Förderung von Demokratieprojekten gesetzlich absichern und langfristig gewährleisten. Damit würde die Arbeit von NGOs auf eine rechtlich verlässliche Grundlage gestellt werden.
Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ spielt hierbei eine zentrale Rolle. 2015 von der SPD durchgesetzt, fördert es seitdem bundesweit Projekte, die sich für Demokratie, Vielfalt und gegen Extremismus einsetzen. Die Nachfrage nach diesen Förderungen ist in den letzten Jahren stetig gestiegen, was den hohen Bedarf nach Unterstützung zivilgesellschaftlicher Arbeit verdeutlicht. Ohne eine gesetzliche Absicherung durch das Demokratiefördergesetz bleibt die Finanzierung unsicher und abhängig von politischen Mehrheiten.
Die Kritik an dem Programm zeigt, wie dringend ein solches Gesetz benötigt wird: Es geht nicht nur darum, Fördermittel transparent zu vergeben, sondern auch darum, zivilgesellschaftliches Engagement vor politischen Angriffen zu schützen. Ein Demokratiefördergesetz wäre ein klares Signal, dass der Staat die Zivilgesellschaft als unverzichtbaren Teil der Demokratie anerkennt und stärkt – und nicht unter Generalverdacht stellt.
Das Ganze wird sicher auch Thema der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen sein. 2013 war sich der damalige NSU-Untersuchungsausschuss – auch mit den Stimmen von CDU/CSU einig: „Der Ausschuss spricht sich mit Nachdruck für eine Neuordnung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus aus, die für Verlässlichkeit sorgt und Planungssicherheit bietet. (…) Die Verteidigung der Menschenwürde, die Förderung demokratischer Kultur und die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus ist auch nach Auffassung des Ausschusses selbstverständlich ebenso eine staatliche wie auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.“
Was damals galt, gilt heute umso mehr!