Zwei-Staaten-Lösung – eine Utopie?

Die überwältigende Mehrheit in der VN-Generalversammlung am 12. September 2025 zeigt erneut: Zur Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten herrscht global betrachtet nahezu Konsens. Andererseits ist der Oslo-Friedensprozess gescheitert. Stimmt man also nur über eine Utopie überein?

Der barbarische Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023, die andauernde Geiselnahme und die humanitäre Katastrophe in Gaza zeigen, dass eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts dringender ist denn je. Ich bin überzeugt, dass nach wie vor eine Zwei-Staaten-Lösung die einzige Möglichkeit darstellt, Frieden und Sicherheit für beide – Israelis und Palästinenser – zu schaffen. Nur sie stellt langfristige Stabilität in der Region her. Das Ziel bleibt die friedliche Koexistenz zweier souveräner und lebensfähiger Staaten im Rahmen einer Verhandlungslösung. Und der Beschluss der UN-Generalversammlung zeigt: Der Konflikt mag global polarisieren, über seine Lösung herrscht weitgehend Einigkeit.

Aber wie erreicht man das Ziel?

Mehrheitlich gehen die Länder den Weg, den Staat Palästina anzuerkennen – und untermauern so ihre Forderung nach zwei Staaten. Bisher handelten vor allem Länder des Globalen Südens und des ehemaligen Ostblocks so. Seit einiger Zeit kippt auch im politischen Westen die Stimmung: Mehr und mehr Staaten haben in den vergangenen 21 Monaten den Staat Palästina anerkannt – unter anderem Frankreich, Vereinigtes Königreich, Norwegen, Irland, Slowenien und Spanien.

Die Bundesregierung hält bislang an ihrer Herangehensweise fest: Einen palästinensischen Staat anzuerkennen, könne nur einer der abschließenden Schritte einer zwischen Israel und den Palästinensern verhandelten Zwei-Staaten-Lösung sein. Sollte Deutschland an dieser Position festhalten, wäre es nicht nur zunehmend in Europa isoliert, sondern auch unter den wichtigsten Verbündeten einer regelbasierten multilateralen Ordnung.

Ich bin der Auffassung, dass eine deutsche Anerkennung eines palästinensischen Staates nicht unbedingt erst am Ende eines Verhandlungsprozesses stehen muss. Eine Anerkennung kann auch zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen, wenn sie dem Ziel der Etablierung und Existenzsicherung zweier Staaten dient.

Grundsätzlich aber stellt sich die Frage, von welchem Verhandlungsprozess noch die Rede ist. Seit zwei Jahrzehnten haben keine substantiellen Verhandlungen mehr stattgefunden. Die Hoffnungen aus dem Oslo-Friedensprozess haben sich nicht erfüllt. Er hat weder zu zwei Staaten noch zu Frieden geführt.

Wir müssen den Status quo ins Visier nehmen: In den besetzten Gebieten verfügt allein Israel über die Ressourcen sowie über die militärische und in weiten Teilen zivile Kontrolle. Das Machtungleichgewicht bedingt eine Asymmetrie der Interessen: Im Gegensatz zu den Palästinensern hat die in Teilen rechtsextreme Regierung Israels kein Bedürfnis, an diesem Status quo etwas zu ändern. Wie soll sich unter diesen Bedingungen ein Kompromiss finden lassen?

Ein Interesse Israels an Verhandlungen muss überhaupt erst hergestellt werden. Bislang sind diese Versuche gescheitert. Die Regierung Netanjahu torpediert jegliche politische Perspektive für eine Zwei-Staaten-Lösung. So gefährdet sie die Grundfesten Israels als jüdischem und demokratischem Staat. Um diese Blockade aufzubrechen, müsste Israel erstmals einen Preis zahlen für seine Verhinderungstaktik. Ein erster Schritt wären Sanktionen beispielsweise gegen rechtsextreme Regierungsmitglieder und radikale Siedler.

Gleichzeitig ist die Internationalisierung der Verhandlungen nötig. Eine Grundlage für Friedensverhandlungen, die Entstehung eines palästinensischen Staates und die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn stellt weiterhin die arabische Friedensinitiative von 2002 dar.

Die Frage des richtigen Zeitpunktes einer Anerkennung muss geprüft werden. Eine Anerkennung ist im Übrigen auch keine „Belohnung“ für die Hamas und ihren Terror, da die Hamas ja nicht zwei Staaten fordert, sondern nur einen bei gleichzeitiger Vernichtung Israels.

Ich bin der festen Überzeugung, dass nur eine politische Perspektive dauerhaft Frieden zwischen Israelis und Palästinensern sowie in der Region gewährleisten kann.