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Oft werde ich gefragt: Warum reden wir jetzt ständig von Feminismus in der Außenpolitik? Feminismus – ach je, das ist doch die alte Leier von Alice Schwarzer – das brauchen wir doch nicht mehr. Und geht es jetzt nur noch um Frauen? Wo bleiben denn da die Männer?

Für das Tanzen auf der Straße. Für die Angst sich zu küssen. Für meine Schwester, deine Schwester und unsere Schwestern. Für den Wechsel alter Werte. Für die Frau, das Leben, die Freiheit.

Baraye – zu Deutsch Für. Seit bald drei Monaten singen die Menschen in Iran dieses Lied auf den Straßen. Sie singen, weil sie die schreiende Ungerechtigkeit des iranischen Unrechtsregimes nicht länger ertragen. Sie werden laut und sie schreien zurück. Für die Frau, für das Leben, für die Freiheit.

Der Tod von Mahsa Jina Amini ist die Spitze des Eisbergs, an dem das Mullah-Regime nun zu sinken droht. Darunter schlummert ein System, das Frauen systematisch missachtet, entrechtet und sogar tötet. Frauen gehen auf die Straßen, reißen sich ihren Hijab vom Kopf und stellen sich erhobenen Hauptes bewaffneten Sicherheitskräften entgegen.

Gabriela Heinrich während einer Diskussionsveranstaltung der NürnbergSPD zum Thema Iran

Den unbegreiflichen Mut, den sie dabei aufbringen, bewundert in diesen Wochen die ganze Welt. Neu ist er aber nicht. Seit Jahren protestieren Frauen für ihre Rechte. Neu ist, dass sie die Proteste anführen. Und neu ist, dass die Männer ihnen zur Seite stehen. Sie haben erkannt: Wo Frauenrechte unter die Räder geraten, dort geraten auch andere Menschenrechte unter die Räder. Freiheit und Demokratie für die ganze Gesellschaft gibt es ohne Frauenrechte nicht.

Die Welt schreit förmlich nach mehr Feminismus. Nicht nur in Iran.

Wir müssen nur hinhören. In Afghanistan sind Frauen seit Rückkehr der Taliban faktisch entrechtet. In der Ukraine laufen Frauen – wie auch in anderen Kriegsgebieten dieser Welt – erhöhte Gefahr, Opfer von sexueller Gewalt und Menschenhandel zu werden. In Honduras wurden im vergangenen Jahr 318 Frauen wegen ihres Geschlechts ermordet. Und in Deutschland 113 im Jahr 2021 durch die Hand ihrer vermeintlichen „(Ex-)Partner“.

Frauen genießen nicht dieselben Rechte wie Männer – in keinem einzigen Land dieser Welt. Das ist nicht nur ungerecht, es ist eine vertane Chance. Man möge sich nur vorstellen, wie unsere Welt aussehen könnte, würde man Frauen ihre Rechte zugestehen. Der eine oder die andere wäre überrascht zu erfahren, welchen Unterschied es wirklich macht. Hier nur ein paar Beispiele.

Der aussagekräftigste Faktor für die Gewaltbereitschaft eines Staates ist das Niveau an Gleichberechtigung der Geschlechter innerhalb des Landes – noch wichtiger als das Bruttoinlandsprodukt oder die Staatsform. Sind Frauen aktiv an Friedensverhandlungen beteiligt, steigen die Chancen um 20 Prozent, dass ein Friedensabkommen mindestens zwei Jahre hält. Und es ist wahrscheinlicher, dass getroffene Vereinbarungen auch umgesetzt werden. Hätten Frauen angemessenen Zugang zu Gesundheitsversorgung, könnte die Müttersterblichkeit auf ein Dritter der aktuellen Zahl reduziert werden. Und bekämen Frauen in der Landwirtschaft gleichberechtigten Zugang zu Produktionsmitteln, könnten die Erträge um bis zu 30 Prozent steigen.

Von Feminismus profitieren wir alle.

Es ist keine Waagschale, aus der man für jedes Recht, das man Frauen gibt, den Männern eines wegnehmen muss. Im Gegenteil – alle gewinnen, denn wo Frauenrechte geachtet werden, geht es der ganzen Gesellschaft besser. Das ist Fakt.

Diese Überzeugung möchte ich gerne mit Ihnen teilen. Deshalb möchte ich eine kleine Reihe in meinem Blog starten und meine Gedanken zu einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik aufschreiben. Also: Was heißt das jetzt konkret in der Umsetzung, wie zeigt sich das vor Ort und welche Beispiele gibt es bereits jetzt? Beim nächsten Mal geht’s um Kamerun und welche Rolle Frauen dort bei der Sicherung von Frieden spielen. Ich freue mich, wenn Sie dran bleiben!