Schlagwörter

Als Außenpolitikerin dreht sich Vieles bei mir im Frauenmonat März um Frauenrechte weltweit. Kürzlich haben wir den Blick aber nach innen gerichtet – auf Frauen und ihre Rolle bei der Integration. Dafür habe ich meine Bundestagskollegin Rasha Nasr aus Dresden nach Nürnberg eingeladen.
Rasha ist stellvertretende Sprecherin der Arbeitsgruppen Arbeit und Soziales sowie Migration und Integration. Gemeinsam gingen wir auf Spurensuche: Welche Rolle spielen Frauen in der Integration? Warum stehen sie den Männern in ihrer Sichtbarkeit nach und was können wir tun, um sie künftig gezielter zu fördern?
Zuerst einmal zeigte ich Rasha etwas von meinem Wahlkreis. Wir trafen uns im geschichtsträchtigen Karl-Bröger-Zentrum, stärkten uns bei typisch fränkischer Hausmannskost für den Nachmittag und begaben uns auf Entdeckungstour in der Nürnberger Innenstadt.
Unser erster Termin führte uns zu MOiN e.V., ein herkunfts- und kulturübergreifender Verbund von Migrantenvereinen. Dort empfingen uns die Vorsitzende Malekeh Ranjbar, die Geschäftsführerin Zühre Özdemor-Hohn und ein Vertreter des iranischen Kulturvereins Khayam, Nader Majidzadeh. MOiN versteht sich als Brückenbauer zwischen denjenigen, die hier in Deutschland leben und jenen, die neu zugewandert sind. Damit nehmen sie eine ganz wichtige Funktion ein – sie sind eng mit Migrant_innen und ihren Communities verbunden, kennen die Herausforderungen, vor welchen sie stehen, und können diese in die Stadtgesellschaft und an Entscheidungsträger_innen herantragen.

Das war dann auch die perfekte Überleitung zu unserer Podiumsdiskussion am Abend. Mit mehr als 50 Teilnehmer_innen diskutierten wir die Rolle von Frauen bei der Integration. Und ich kann schon mal vorweg sagen:
Die offene Gesprächsatmosphäre, die spannenden Podiumsgäste und die vielen abwechslungsreichen Beiträge aus dem Publikum – von Vertreter_innen Nürnberger Migranten- und Kulturvereine, der Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg bis hin zu Kassandra, einer Beratungsstelle für Prostituierte – ließen mich mit vielen neuen Erkenntnissen aus der Veranstaltung gehen.
Nachdem ich unsere Gäste begrüßt hatte, gab uns Rasha Nasr zunächst einen Einblick in die bundespolitische Gemengelage. Über Jahrzehnte hinweg wurde Politik von Männern für Männer gemacht. Die sogenannten „Frauenthemen“ wurden nur allzu oft als Nischenthemen abgetan. Wozu das führt, haben wir an den vielen Aktionstagen im März wieder gesehen. Der Equal Care Day zeigte uns, dass unbezahlte Sorgearbeit nach wie vor größtenteils an den Frauen hängen bleibt. Der Equal Pay Day fiel in diesem Jahr auf den 7. März. Übrigens: Bei eingewanderten Frauen ist die Lohnlücke sogar um zwei Prozentpunkte höher. Sie sind also noch häufiger prekär beschäftigt und laufen noch größere Gefahr, in die finanzielle Abhängigkeit zum Partner und im Alter in die Armut zu rutschen.
Einen großen Schritt gehen wir jetzt mit den Migrationspaketen von Nancy Faeser. Mit dem Chancenaufenthaltsgesetz sind knapp 100.000 Menschen aus der Unsicherheit der Kettenduldung herausgekommen. Auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird große Erleichterungen bringen. Damit werden wir Menschen einen niedrigschwelligen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ermöglichen. Mit der sogenannten „2+2 Regelung“ (zweijährige Ausbildung und zweijährige Berufserfahrung) werden wir die Anerkennung beruflicher Qualifikationen vereinfachen. Und mit Anerkennungspatenschaften bieten wir Betrieben die Möglichkeit, ausländische Mitarbeitende unbürokratisch zu beschäftigen und, wenn nötig, nachzuqualifizieren. Von all diesen Verbesserungen profitieren auch Frauen. Viel ist also in der Mache.
Um die Sicht der kommunalen Ebene einzubeziehen, konnten wir die Referentin für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Nürnberg, Elisabeth Ries, gewinnen. Ungefähr 48 Prozent der Menschen in Nürnberg haben Migrationshintergrund. Bei den Kindern und Jugendlichen sind es mit über 60 Prozent deutlich mehr. Wenn wir über Migration und Integration sprechen, sind das also längst keine Minderheitenthemen mehr. Der ehemalige SPD-Oberbürgermeister Ulrich Maly hat Integration deshalb zur Chefsache gemacht. Integration ist also eine Querschnittsaufgabe.
„Frauen gehören in alle Posten, in denen Entscheidungen getroffen werden. Frauen dürfen nicht die Ausnahme sein.“ Diese Vision von Ruth Bader Ginsburg teilt auch Elisabeth Ries. Frauen waren schon immer und sind auch heute zentraler Bestandteil von Migrationsbewegungen und damit selbstverständlich auch entscheidend für eine gelungene Integration. Das war der Fall bei den Gastarbeiter_innen, den Spätaussiedler_innen, den Zugewanderten aus der EU und auch bei Geflüchteten. Im Weg zu einer gelungenen Integration stehen Elisabeth Ries zufolge häufig bürokratische Hürden – umständliche Antragsverfahren etwa bei der Berufsanerkennung oder der Kinderbetreuung führen oft zu Überforderung.
Zuletzt richtete die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) Nürnberg, Canan Candemir, den Blick auf die politische Partizipation von Frauen mit Migrationsgeschichte. Auf allen Ebenen der Politik sind Frauen stark unterrepräsentiert. An fehlendem Engagement liegt es nicht. Menschen mit Migrationshintergrund engagieren sich sehr vielfältig, jedoch tun sie das eher im „vorpolitischen Raum“, also in Sport- und Kulturvereinen. Ihr Potenzial kommt also nicht dort an, wo zentrale Entscheidungen für die Gesellschaft getroffen werden.
Warum ist das so? Es gibt zahlreiche strukturelle Hindernisse, erklärt uns Canan Candemir. Von eingeschränkten rechtlichen Möglichkeiten (die Teilnahme an Wahlen ist noch immer an die Staatsbürgerschaft geknüpft) über homogene Parteistrukturen (wie kann ich mich als Mutter bei bereits fehlender Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch zusätzlich in einer Partei engagieren?) bis hin zu Vorurteilen (bin ich als Frau mit Migrationshintergrund immer nur die „Migrationsexpertin“ oder werden mir auch andere Kompetenzen zugesprochen?).
Und ohne es zu wollen, hat Canan Candemir die Gäste gleich noch mit einem Begriff begeistert, der – kaum ausgesprochen – gleich von allen übernommen wurde: Frauen mit „internationaler Geschichte“. Der „Migrationshintergrund“ klingt immer als hätte man einen Makel, meint sie. „Internationale Geschichte“ hingegen, das wollen auch andere haben. Besser kann man es nicht sagen.
Und auch die anschließende Diskussion brachte uns viele gewinnbringende Beiträge. Es ging um die Frage: Wann ist Integration eigentlich abgeschlossen? Müssen sich auch Menschen, die hier geboren werden, noch integrieren? Und wo liegen eigentlich die Grenzen zwischen Integration und Assimilation? Wie hoch darf unsere Erwartungshaltung an Migrant_innen sein? Kritisch angemerkt wurden die bürokratischen Hürden, auf die Migrant_innen und Geflüchtete in ihrem Alltag stoßen. Angeregt wurde außerdem die Notwendigkeit, Migrantenvereine – und ganz speziell deren Angebote zum persönlichen Austausch – stärker zu fördern. Gerade Frauen würden diese Angebote in Anspruch nehmen und von der Erfahrung anderer Migrant_innen profitieren. Aktuell berät der Bundestag gerade das Demokratiefördergesetz, damit könnte genau das passieren. Denn es legt erstmals einen größeren Fokus auf die Erwachsenenbildung. Besonders wichtig war es einigen Gästen, die Frauen hervorzuheben, die vergessen, die unsichtbar werden. Das sind diejenigen, die in ihrem Herkunftsland keine Möglichkeit auf Bildung hatten, die hier in Deutschland immer ihre Familie an erste Stelle setzten und auch diejenigen, die hier in einer Zeit ankamen, in der es keine Integrations- und Sprachkurse für sie gab. Auch sie müssen wir mitdenken.
Das Fazit: Frauen sind und waren schon immer zentraler Teil der Migrationsgeschichte hier in Deutschland. Sie sind also auch der Schlüssel zu einer nachhaltigen und gelungenen Integration. Ihre Bedürfnisse und ihre Anliegen müssen deshalb gleichberechtigt in den Fokus gelangen. Da waren wir uns alle einig. Wir arbeiten weiter daran.
Danke Gabriela,
für Deinen engagierten Zwischenbericht mit Canans Stimme für Frauen, wohl auch Männer und Familien mit „internationaler Geschichte“.
Gute Wünsche und
solidarische Grüße
Bernd